1991-2004
Liebe und Freude
Siska
Über keinen meiner Hunde könnte ich so viel schreiben und weiß doch, dass ich mit allen Worten das ganz Besondere an ihr nur ansatzweise zum Ausdruck bringen kann. Trotzdem sei der Versuch gestattet. Siska stammt aus einem der letzten Würfe des bekannten Zwingers „v.d.Frankenlerche“ von Gräfin Stauffenberg. Als ich die Welpen mit sechs Wochen kennenlernte, tobte Siska mit ihren drei Schwestern und zwei Brüdern in einem großzügigen Freiauslauf umher. Auf Anraten der erfahrenen Züchterin wählte ich die Kleinste des Wurfes, die aber den besten Kopf und auch sonst viele rassespezifische Vorzüge besaß. Siska war kein unkomplizierter Welpe. Schon früh wusste sie ihren Dickkopf durchzusetzen, um mit Beharrlichkeit und Charme das von ihr Gewünschte zu erreichen. Als Beispiel dafür sei das „Schlafen im Körbchen“ genannt. Natürlich sollte sie, wie alle unsere Hunde, die Nacht in unserem Schlafzimmer zubringen; aus diesem Grund war ihr ein warm ausgepolstertes Körbchen an einer zugfreien Ecke neben dem Bett aufgebaut worden. Dorthinein wurde der von Fahrt und Umgebungswechsel völlig übermüdete Welpe nach einem ausgiebigen Spaziergang gepackt, meine Hand hineingehängt, das Licht gelöscht. Nach zwei Minuten spürte ich ein bärtiges Schnäuzchen in meinem Gesicht, Vorderpfoten auf dem Bettrand. Nun ja — damit hatte ich gerechnet, konsequent bleiben: „Pfui ist das!“, Hund wieder ins Körbchen gedrückt. Diesmal blieb das Schnäuzchen ganze fünf Minuten außer Reichweite, fast wäre ich eingeschlafen – Siska hingegen dachte nicht daran. Neues „Pfui“, diesmal noch energischer – wir wollen doch sehen, wer von uns sich hier durchsetzt. Nun, um es kurz zu machen: dieses Spiel währte die halbe Nacht, Siska erwies sich als die beharrlichere, ich als die müdere von uns beiden: Morgens lag sie glücklich unter meiner Bettdecke am Fußende! Weitere diesbezügliche Erziehungsversuche schlugen in den nächsten Nächten fehl – lag ich im Bett, ignorierte sie ihr Körbchen. Wohlgemerkt: Ich habe vorher und auch nachher allen meinen Hunden durchaus beibringen können, an den für sie vorgesehenen Plätzen zu schlafen, Siska bildete die einzige Ausnahme. Sie schlief in meinen Kniekehlen, nur hatte sie später gelernt mit der Pfote „anzuklopfen“, damit ich die Bettdecke hochheben und ihr dadurch die „Genehmigung“ zum Drunterschlüpfen geben konnte. Niemals jedoch sprang sie auf ein leeres Bett. Andere Dinge, z.B. das ordnungsgemäße Gehen an der Leine oder das Folgen auf Ruf oder Pfiff erlernte sie dagegen völlig problemlos – warscheinlich (so glaube ich heute) sah sie die Notwendigkeit dieser Übungen ein. Immer wieder konnte ich andere Hundebesitzer damit verblüffen, wie meine Junghündin sich auf einmaligen Zuruf sofort aus einer Gruppe spielender Hunde herauslöste und freudestrahlend auf mich zugerannt kam. Siska liebte Menschen, ganz besonders Kinder über alles: Jeder Besucher wurde schwanzwedelnd begrüßt, Familienmitglieder hatten jedoch einen besonderen Status. Ihr war eine hohe Sensibilität und fast menschliche Intelligenz zu eigen, so dass man sich fast mit ihr „unterhalten“ konnte. Meine Großmutter war nicht die einzige, die glaubt, dass Siska „jedes Wort“ verstünde, das man ihr sagte. Sie erfasste selbst kompliziertere Aufforderungen wie z.B. „Leg dich ins Sönnchen“, „Dreh dich rum“ oder „ gaaaaanz leise sein“. Darüber hinaus hatte sie ein ganz ausgeprägtes Gespür für unglückliche Menschen, die sie „tröstete“, indem sie sie anschaute , sich nah herandrückte und die Pfote auf das Knie legte. Sie war eine emotionale Bereicherung für die ganze Familie. Bei keinem meiner Hunde hatte ich das Gefühl, so verstanden zu sein, wie bei ihr. Abgesehen davon war sie eine ausgesprochene Lebenskünstlerin, die – stets charmant und selten schlecht gelaunt – ihre eigenen Bedürfnisse durchaus durchzusetzen wusste. Gefiel es ihr irgendwo nicht, so setzte sie sich solange vor die Ausgangstür (die sie dabei unverwandt anstarrte), bis dass der Gastgeber gequält lächelnd meinte: „Ich glaube, der Hund will nach Hause!“, genauso verfuhr sie mit Schubladen und Schränken, in denen irgendwelche Leckereien verstaut waren, auf die sie just gerade Appetit verspürte. Bei Regen und schlechtem Wetter spazierte sie unter meinem Schirm und nur soweit wie unbedingt nötig. Dagegen freute sie sich übermütig wie ein junger Hund, wenn es zu einem Spaziergang im Schnee oder – noch viel erstrebenswerter – auf einen Pirschgang im Wald ging. Natürlich beobachtete sie dabei das Wild bereits vom Geländewagen aus und die Unterschiede zwischen „Häschen“, „Rehchen“ und „Kätzchen“ waren ihr durchaus bekannt. Sie verfügte über eine ausgezeichnete Nase und hat sich bei Nachsuchen schon oft als erfolgreich erwiesen. Ihre hohe Intelligenz, Führigkeit und Aufmerksamkeit machten sie zu einer sehr geeigneten Jagdhelferin. Darüber hinaus war sie eine gute Wächterin, die bei unbekannten Geräuschen sofort anschlug. Siska hat in drei Würfen 20 eigene Welpen aufgezogen und niemals hatte ich das Gefühl, dass sie sich auf Grund ihrer Mutterpflichten irgendwie belastet oder genervt fühlte, im Gegenteil: Sie war eine leidenschaftliche Mutter und Großmutter, die alle Welpen mit Hingabe und Sorgfalt versorgte. Ihre inzwischen erwachsenen Kinder dankten ihr diese Mutterliebe bei einem Wiedersehen mit stürmischer Begeisterung. Viele ihrer Nachkommen sind inzwischen äußerst erfolgreich auf Ausstellungen, in der Zucht, bei der Jagd und im Hundesport und alle erfreuen sich bester Gesundheit. Als ihre bekanntesten Kinder sind Intern.Ch. Assia vom Hürtgenwald, Stammhündin des Zwingers „vom Akazienhain“ und Europ.sg. Bridie vom Hürtgenwald zu nennen. Siska selbst mochte Ausstellungen dagegen nicht, und sie zeigte sich nur widerwillig und mir zum Gefallen; hierin unterschied sie sich deutlich von ihrer Tochter Bridie. Ich weiß, das Siskas Wesen in vielen ihrer Söhne und Töchter und inzwischen sogar Enkeln weiterlebt und das erleichtert mir ein Leben ohne sie ein wenig.
Ein bisschen Trost findet sich auch in den Songs of
Leister by W.M.Letts „Tim an Irish Terrier“:
So I laugh when I hear them make it plain
That dogs and men never meet again.
For all their talk who’d listen to them
With the soul in the shining eyes of him?
Would God be wasting a dog like Tim?