Flanna vom Hürtgenwald

2000-2014

Selbstständigkeit und Ausgeglichenheit

Flanna ist ein irischer Name, heißt übersetzt so viel wie „red-haired girl“ – und Flanna hatte leuchtend rotes, hartes Haar – soweit erwies sich der Name als passend. Leider besaß sie bei aller Haarqualität recht wenig Barthaar, und sie schaffte es auch immer wieder, trotz meiner sorgsamen Pflegebemühungen desselben, relativ bartlos zu bleiben. Bereits als Welpe empfing sie mich eines abends beim Nachhausekommen wie immer stürmisch und begeistert, jedoch, bei näherem Hinsehen, mit vollkommen verklebtem Bärtchen. Ahnungsvoll versuchte ich der Ursache für diesen „Betonkranz“, aus dem nur ihre schwarze Nase feucht und frech hinausschaute, nachzuspüren. Ich fand sie in den Resten einer vollständig zerkauten Tube „Copydex“, deren Inhalt eigentlich zum Kleben der Ohren gedacht war ( anscheinend hatte sie bereits zu diesem Zeitpunkt gewusst, dass ihre Ohren niemals geklebt werden brauchten ). Es war nicht daran zu denken, den Kleber irgendwie anders als mit der Schere zu entfernen. Naja, ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass es in der Natur des Haares liegt, nachzuwachsen und ignorierte die hämischen Bemerkungen meiner Familie und Freunde, ob ich beschlossen hätte, bartlose Irish Terrier zu züchten. Der Bart wuchs aber nicht!!! Und wenn – in mir unmerklichem Tempo. Langsam fand ich mich mit dem Gedanken ab, dass Flanna eben eine ausgesprochen temperamentvolle, robuste und schöne Irish Hündin ohne nennenswerten Bart sei, da bereitete sie mir die nächste Überraschung: Nach einem längeren Aufenthalt in der Dusche, traute ich beim Verlassen des Badezimmers wiederum meinen Augen nicht – Flannas sorgsam herangezüchteter Kurzbart war schreiend grell-rot eingefärbt! Das durfte doch nicht wahr sein!!! In ihrem Körbchen sprachen ein Vet-bed mit roten Flecken und die spärlichen Überreste meines zerkauten Korrekturstiftes für Klassenarbeiten eine deutliche Sprache… Ungläubig starrte ich meinen Hund an, der mir freundlich wedelnd gegenüberstand. An der Erhaltung des Bartes interessiert (besser ein knallroter als gar keiner!), beschloss ich, den Bart erst einmal zu lassen wie er war – er würde sich schon irgendwie „entfärben“. Tat er dann auch, allerdings erst nach einigen Tagen, in denen sie den Spitznamen „Flanna Rotbart“ bekam. Soweit zu den Äußerlichkeiten…was die inneren Werte betrifft, kann ich Flanna trotz aller Übung in der charakterlichen Beschreibung des Irish Terriers eigentlich am besten mit „anders“ beschreiben. Das heißt nicht, dass sie in vielen Dingen kein typischer Irish Terrier gewesen ist, aber sie war trotzdem zusätzlich irgendwie … Zum Beispiel ist sie laut! Kein Kläffer, aber bei bestimmten Gelegenheiten bellte sie einfach so: Aus Vergnügen (mir unerklärlich!) , wenn sie die Treppe herunterlief oder auch, um auf sich aufmerksam zu machen (was ich als Zeichen von Intelligenz sehe). Es war beispielsweise unmöglich, Flanna im Keller „zu vergessen“ (bei meinen anderen Hunden merkte ich oft erst nach einiger Zeit, dass  einer fehlte – der arme Hund hatte dann eine Weile im Dunkeln hinter der verschlossenen Tür zubringen müssen) . Nicht so Flanna! Sie hatte erkannt, dass man gegen ungewolltes „Im-Keller-Sein“ Gegenmaßnahmen ergreifen konnte, genauso, wie sie, bereits als Welpe, kurz bellte, wenn sie heraus muss (nie da gewesen!), aber auch, wenn sie herein will. Außerdem war sie natürlich wachsam – aber das sind meine übrigen Hunde auch! Flanna war sozusagen „rustikal-robust“: Sie wälzte sich in allem, sie lief überall vorbei und durch, sie schwamm in kaltem Wasser, sie fraß alles, ohne sich nur geringfügig den Magen zu verderben, sie ließ sich überall (sogar unter dem Bauch!) widerstandslos trimmen und war außerdem völlig unproblematisch mit anderen Hunden jederlei Alters und Geschlecht. Ihre Welpen bekam sie so quasi “zwischendurch”: Noch einen Tag vor der Geburt ihres ersten Wurfes hüpfte sie mit dickem Bauch durch ein Rübenfeld, kurz nach der Geburt erlegte sie im Garten eine Maus! Ihren letzten Wurf mit sieben strammen Welpen bekam sie mit fast acht Jahren und es gab keinerlei Probleme. Sie war aber trotz guter Mutterqualitäten durchaus emanzipiert (meine Schüler würden sagen: Sie ist cool!!!)
Also: Meine coole, bartlose Flanna war mir ans Herz gewachsen! Sie war  niemals eine erfolgreiche Ausstellungshündin, aber eine enorm wertvolle Hündin für die Zucht. Und schließlich zählen die inneren Werte mehr als ein Damenbart.
(Ingrid Schreiner)